VIA FERRATA - KLETTERSTEIG MIT DEM MOUNTAINBIKE

Der Film Via Ferrata dokumentiert Harald Philipps Biketour über drei Klettersteige in den Brenta Dolomiten.
Eine der beeindruckendsten Touren seiner Radkarriere. Aber einmal dort zu fahren reicht ihm...

VIA FERRATA (2015)
© Harald Philipp

Interview Zu via ferrata / 04.05.2015
Mtb-News.de I Autor Tobias Stahl

MTB-News.de: Harald, in deinem neusten Film zeigst du eine weitere Dimension des Bike-Bergsteigens in der Brenta. Technisch an sich einfach zu befahren sind die Brenta-Klettersteige so extrem exponiert, dass der kleinste Fehler der letzte sein kann. Wie hast du dich an die Befahrung dieser weltbekannten Routen herangetastet?

© Uta Philipp

© Uta Philipp

Herangetastet ist das richtige Wort. Ich komme schon seit 20 Jahren regelmäßig in die Brenta Dolomiten. 1994 habe ich hier eine Gedenktafel für meinen im Himalaya verunglückten Vater montiert, seither ist dieses Gebirge für die Familie Philipp eine Art Pilgerstätte. Am schönsten ist es in der Brenta nach Hüttenschluss, wenn es komplett einsam ist. Der Kontrast aus Schönheit und Gefahr, das Gefühl vom Lebendig sein am Abgrund, macht die Brenta für mich ganz besonders. 2004 war ich zum ersten mal mit dem Bike dort. 2011 bin ich mit dem Orsi meinen ersten Klettersteig gefahren und habe den SOSAT mit dem Rad „ertragen“. Im Frühsommer 2014 war ich dann zu Fuß am Bocchette unterwegs und wollte plötzlich man Rad auch ganz da oben haben...

Macht es denn letzten Endes in deinen Augen Sinn, solche Wege zu befahren? In Anbetracht der Gefahr und des dadurch doch stark eingeschränkten Fahrspaßes würde ich sagen, das es eher Unsinn ist. Mir fällt spontan der Kommentar ein, dass nur weil man etwas kann, man es noch lange nicht machen muss.

Sinn ergibt Mountainbiken sowieso nicht allzu oft, es ist ja per Definition eine Freizeitaktivität und in ihrer Sinnlosigkeit liegt der Spaß. Doch zugegeben, diese Tour war besonders unsinnig und gefährlich. Aber ihr kennt das bestimmt auch: Wenn man als Biker irgendwo entlang wandert wo man auch Biken könnte, dann hält man die Arme vor sich wie als wäre da ein Lenker und radelt in Gedanken. Genauso ging es mir bei der Wanderung, ich bekam einfach Lust da zu radeln, gerade weil die Wege so schöne Flow-Country Trails sind und kein blockiges Treppendesaster. Ich bin dort nicht wegen des Abgrundes gefahren, sondern trotzdem. Und Spaß hat mir das Radfahren dort durchaus bereitet!

© Uta Philipp

© Uta Philipp

© Uta Philipp

© Uta Philipp

Kann immer extremere Gefahr die Zukunft des Bike-Bergsteigens sein? Oder sollte sich die Zunft nicht eher über technische Meisterleistungen (idealer Weise bei niedrigerem Risiko) definieren?

Ich glaube weder noch. Die Zukunft unseres alpinen Radelns liegt meiner Meinung nach nicht im Extremen und Elitären, sondern im Breitensport. Wir machen ja nichts anderes als Skitourengehen im Sommer. Schau einfach mal wie viele Biker inzwischen eine Etage höher unterwegs sind. Im Sommer gibt es jeden Tag neue gewaltige Fotos im Hochtouren-Fotos-Thread [Link zum Thema] , das „Flow-Valley“ wird gerade zu einer halb-offiziellen Bikebergsteiger-Destination und sogar Guiding-Gruppen lassen ihre Teilnehmer inzwischen hochtragen. Die Extremen wie Johannes Pistrol [Link zum Video] oder Tobias Leonhard [Link zum Video] zeigen, wie weit man es in alle möglichen Richtungen treiben kann, aber die spannendste Entwicklung findet für mich in der Breite statt. Wenn jetzt die E-Bikes in den nächsten Jahren sämtliche Touren auf Forstweghöhe erobern wird „das richtige Mountainbiken“ vielleicht erst dort beginnen, wo man hinauf tragen muss, wer weiß…

Hand aufs Herz: Ist das Risiko für einen Profi wie dich kalkulierbar? Wie reagieren andere Bergsportler, wenn sie dich mit dem Bike am Klettersteig angetroffen haben?

Meine subjektiven Gefahren habe ich ganz gut im Griff. Seit über 18 Jahren mache ich ja nichts anderes als Radfahren, so langsam weiß ich wo meine Grenzen liegen. Ich war dort auch sehr verhalten unterwegs und war mir der Konsequenzen eines Fehlers auch sehr bewusst. Schräg war, dass dort auch objektive Gefahren eine Rolle gespielt haben, an zwei Stellen gab es Steinschlag in der Felswand am Benini-Steig. Das Filmen hat es auch nochmal komplexer gemacht, da musste ich besonders aufpassen nicht aus Konika-Courage und für die Eitelkeit etwas dummes zu machen. Nach der Cima Falkner habe ich meinen Filmer gebeten die Kamera auszuschalten, ich wollte wissen ob ich die Tour auch einfach für mich fahren will. Die Wegstrecke von dort zum Groste-Pass war dann das schönste Stück der Abfahrt und hat tatsächlich richtig viel Spaß gemacht. Die Kletterer die wir getroffen haben waren alle cool. Italiener haben einfach einen guten Humor. Wir waren aber auch sehr früh am Tag unterwegs und haben daher nur wenige Alpinisten getroffen. Untertags wäre es wahrscheinlich nicht so entspannt gewesen.

© Manfred Stromberg

© Manfred Stromberg

© Manfred Stromberg

© Manfred Stromberg

© Manfred Stromberg

Zwei Fragen: Hast du während des Fahrens irgendetwas von der Natur und der Aussicht wahrgenommen? Und wie oft bist du dann doch abgestiegen?

Natürlich habe ich beim Aufstieg und beim Warten auf den nächsten Take die Natur und das imposante Gebirge wahrgenommen. Beim Filmen hat man sogar mehr Zeit dafür als beim normalen Radeln. Während des Fahrens schaue ich allerdings nicht gerne in den Abgrund. Da bin ich komplett fokussiert auf die nächsten Wegmeter. Teilweise erschreckt man sich dann nach dem Anhalten, wenn man realisiert wo man gerade gefahren ist. Meine Abstiege habe ich nicht gezählt, aber es waren durchaus einige dabei. Mein Anspruch ist nicht, jeden einzelnen Meter zu fahren. Insgesamt sollte es aber schlüssig sein, ein Rad dabei zu haben. Den Bocchette Alte-Klettersteig bin ich ohne Rad gewandert. Beim Benini, Vidi und Orsi bin ich in den Abwärtssektionen zu mehr als 90% fahrend unterwegs gewesen.

Kommen wir noch kurz zur Technik. Du bist im Video nicht gerade auf Slickrock unterwegs, die Wege sind voller losem Schotter und ständig in Bewegung. Welche Reifen und was für ein Setup verwendest du für solche Bedingungen?

Bei Reifen und Setup habe ich keine Experimente gemacht, so wie immer, Schwalbe Magic Mary vorne und Rock Razor hinten. Ich persönlich mag rutschigen Schotter ja sehr gerne und die Wege waren rein fahrtechnisch auch nicht besonders anspruchsvoll. Bei den Schuhe habe ich allerdings keine üblichen Bike-Schlappen mit glatter Sohle gehabt, sondern gut profilierte Camp4 aus dem 5.10 Outdoor-Segment. Die haben weiches Gummi für die Pedale aber auch ein gescheites Profil. Das braucht man bei den Stellen wo man nicht auf dem Rad ist. Leitern und Steilstufen einhändig (mit der anderen Trage ich das Rad) hinauf zu klettern ist durchaus auch anspruchsvoll.

© Manfred Stromberg

Die Brenta ist eine der beeindruckendsten Gebirgsformationen der Alpen. Gibt es hier abseits der gezeigten Klettersteige auch wirklich für Mountainbikes geeignete Routen, die du empfehlen kannst?

Ich glaube schon, kenne mich da ehrlich gesagt aber gar nicht gut aus in den Seitentälern. Grundsätzlich sollte ich noch darauf hinweisen, dass Mountainbiken in den Höhenregionen der Brenta Dolomiten nicht offiziell erlaubt ist. Die Hüttenwirte fanden es alle cool, aber es wurde wohl schon mal jemand bestraft der auf einem falschen Weg vom Groste Pass abgefahren ist.

Jetzt wo du technisch einfach und extrem gefährlich gemacht hast – was dürfen wir als nächstes von dir erwarten? Kommt wieder etwas mehr Flow in die Sache oder geht es wieder mehr in Richtung Stolper-Biken?

Als nächstes kommt ganz was anderes. Morgen früh breche ich für zwei Monate auf in die Seealpen. Gefilmt wird dieses mal unterhalb der Baumgrenze. Und Flow… den habe ich sowieso immer :-)

Harald, danke dir für das Interview und immer eine Handvoll Schotter unter den Reifen!

Haha, danke dir. Viel Spaß mit dem Video und auf bald!